mike's bücherregal

E-Lit

Auch wenn wir ein Buch ganz traditionell analog lesen, steht es heute in einem digitalen Kontext. Am Beispiel des Romans «Wolf Hall» lässt sich leicht erkennen, wie das funktioniert. Der Weg zu einer nativen digitalen Literatur ist noch weit. Aber in letzter Zeit hat es einige wichtige technische Fortschritte gegeben.

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Laurent Binet: HHhH

Cover von Laurent Binet: HHhH
Cover der englischen Taschenbuchausgabe von 2013

Unter den prominenten Nazis war er einer der schlimmsten: Reinhard Heydrich (1904-1942) Seine Ermordung durch tschechische Widerstandskämpfer sorgte für weltweites Aufsehen und erzürnte Hitler dermassen, dass er als Vergeltung nicht nur Tausende von Menschen verhaften und viele von ihnen hinrichten, sondern auch zwei Dörfer dem Erdboden gleich machen liess.
Laurent Binet trat 2010 mit seinem Erstlingswerk «HHhH» an die Öffentlichkeit und wurde dafür mit dem Prix Goncourt du premier roman ausgezeichnet. «HHhH» ist die Abkürzung des deutschen Satzes Himmlers Hirn heisst Heidrich. Der Roman erzählt das Leben des Mannes, der im Dritten Reich aufgrund seiner charakterlichen Härte und aussergewöhnlicher Fähigkeiten zum Organisator des Holocausts aufstieg. Gleichzeitig erzählt er aber auch seine eigene Entstehungsgeschichte, Binets Obsession mit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere der Person Heydrichs. Man kann durchaus von einem postmodernen Roman reden, denn Binet legt manchmal falsche Fährten und kokettiert mit der Rolle des unzuverlässigen Erzählers. Gelungen ist ihm auf jeden Fall ein äusserst spannendes und kenntnisreiches Buch. In Kürze (Herbst 2017) soll unter dem Titel «HHhH» oder auch «The Man with the Iron Heart» eine Verfilmung in die Kinos kommen.

Vasily Grossmann: A writer at War

Cover von Vasily Grossmann: A writer at War
Cover der Taschenbuchausgabe von 2006

Der sowjetische Schriftsteller Wassili Grossman (Василий Семёнович Гроссман) publizierte 1959 in der Schweiz sein magnum opus «Leben und Schicksal (Жизнь и судьба)», einen Familienroman, in dessen Zentrum die Schlacht von Stalingrad steht. Die sowjetische Zensur erlaubte es nicht, das Buch in der Heimat zu veröffentlichen. Ebenso unter Verschluss blieb Grossmanns Kriegstagebuch, das er während seiner Jahre als Korrespondent der Militärzeitschrift «Roter Stern» geführt hatte. In der Auswahl und Übersetzung von Anthony Beevor and Luba Vinogradova erweist es sich als überaus lesenswerter Begleiter zum Roman. Gerade für deutschsprachige Leser erweitert sich bei der Lektüre der Horizont und bezieht nun auch das Leben, Leiden und Sterben der sowjetischen Männer und Frauen in jenem erbarmungslosen Kampf mit ein.

Lila Azam Zanganeh: The Enchanter

An Adventure in the Land of Nabokov

Cover von Azam Zanganeh, The Enchanter
> Offiziele Website Lila Azam Zanganeh

Die 1976 in Paris als Tochter iranischer Emigranten geborene Autorin hat sich, wenn man dem Klappentext des Buchs glauben darf, schon früh - as long as she could remember - von dem russischen Exilschriftsteller Vladimir Nabokov (1899 - 1977) verführen und verzaubern lassen. Aus ihrer sozusagen lebenslangen Passion für den Verfasser von Lolita, Ada, Pale Fire und weiterer Meisterwerke hat sie ein «Itinerar des Glücks» zusammengestellt, das, um mit Barthes zu sprechen, ihr «plaisir du texte» auf den Leser übertragen soll.

Mit ihrer absolut lustvollen Lektüre des Nabokov'schen Oeuvres stellt sie sich diametralen Gegensatz zu der iranischen Autorin Azar Nafisi (Reading Lolita in Tehran: A Memoir in Books, 2003), die in dem bekanntesten und umstrittensten Roman Nabokovs das Schicksal der iranischen Frauen unter dem patriarchalischen Joch der Mullahs wiederzuerkennen glaubt.

Ich selbst habe erst in jüngster Zeit begonnen, mich intensiver mit Nabokov zu beschäftigen und bin zur Zeit besonders eingenommen von Pale Fire (1962, dt. Fahles Feuer), einem überaus komplexen postmodernen Roman.

Stanislaw Lem: Solaris

Cover von Stanislaw Lem, Solaris (1961)
> Offiziele Website Stanislaw Lem

Der 1961 im polnischen Original und 1972 erstmals in deutscher Übersetzung publizierte Roman ist ein Werk, das weit über das Genre Science Fiction hinausweist. Und so ist er nicht nur als Kinofilm (Tarkowski 1972, Soderbergh 2002), sondern auch als Oper und Bühnenstück adaptiert worden. Die jüngste Bühnenfassung stammt von Antú Romero Nunes, der das Stück für das Schauspielhaus Zürich inszenierte. Premiere war am 18. Mai 2012 im Schiffbau. Mit nur zwei Personen (Yvon Jansen und Jirka Zett, sehen wir einmal vom Kameramann Sebastian Pircher ab) entwickelt Nunes die ganze Geschichte um die unheimlichen Einflüsse eines ausserirdischen Ozeans auf den menschlichen Geist. Wie das auf jemanden wirkt, der weder das Buch noch die Verfilmungen kennt, vermag ich nicht zu sagen, aber für den Zuschauer, der wie ich das Buch gelesen und die beiden Kinofilme gesehen hat, war es ein Vergnügen, alles in kondensierter, dialogischer Form und beinahe selbst an Bord einer Raumstation vorgesetzt zu bekommen.

Ai Weiwei's Blog

Cover von Ai Weiwei's Blog
> Ai Weiwei's Blog

Von 2006 bis Ende Mai 2009 nutzte der chinesische Künstler Ai Weiwei die Internet-Plattform sina.com.cn, um seine Gedanken in Forms eines Internettagebuchs zu veröffentlichen. Dann, am 28. Mai 2009, wurde sein Blog von den Behörden gelöscht. Dass das Geschriebene dennoch nicht verloren ging, ist dem Fleiss seiner Freunde zu verdanken, die jedes Blogposting aufbewahrten und am Ende aus der Gesamtheit eine Textausgabe zum Druck vorbereiteten. Aus politischen Gründen konnte das Buch bis zum heutigen Tag nicht in der Originalsprache publiziert werden, doch verdanken wir Lee Ambrozy eine englische Übersetzung, die 2011 bei MIT Press in Cambridge, Massachussetts, erschien. Der Versuch, Ai Weiweis Gedanken der staatlichen Zensur zu unterwerfen und seinen kulturellen Einfluss einzudämmen, ist damit wenigstens teilweise gescheitert.

 

Antiquarische Bücher

Ich sammle alte Bücher nicht systematisch, aber im Lauf der Jahre ist doch das eine oder andere Stück in meinen Besitz geraten. Ich habe mir vorgenommen, ausgewählte Titel hier nach und nach vorzustellen. Zur Titelliste

 

Postmoderne Romane

Vielerorts ist man der Überzeugung, dass die Postmoderne überwunden sei. Doch das ist, glaube ich, bestenfalls Wunschdenken, schlimmstenfalls politisches Kalkül. Wie dem auch sei: So postmodern wie jetzt war die Welt noch nie. Minarettverbote und die Beschwörung abendländischer Werte durch genau jene, die ihnen mit grossem Fleiss den Boden unter den Füssen wegziehen, sind der beste Beweis dafür.

Mit der Postmoderne und insbesondere ihrer literarischen Ausprägung beschäftige ich mich seit vielen Jahren. Aus all dem, was ich über und aus der postmodernen Literatur gelesen habe, habe ich eine kleine Leseliste postmoderner Romane zusammengestellt