La chambre des rêves von Ferit Karaormanli
Der junge türkische Schriftsteller Ferit Karaormanli tritt mit seinem Erstling, "Menam odası" (Das Traumzimmer) in die Fusstapfen des international bekannten Autors Orhan Pamuk. Wie Pamuk spielt auch er mit Versatzstücken aus der osmanischen Tradition und der postmodernen Literatur bzw. Literaturtheorie. Ganz ähnlich wie bei Pamuk in "Beyaz Kale" (Die weisse Festung), ist auch das Herzstück seines Romans das Verwirrspiel um die Identität des Erzählers. Anders als Pamuk allerdings nimmt Karaormanli keinerlei Rücksicht auf den Bildungshorizont des zeitgenössischen Lesers. Die Sprache seines Romans ist Türkisch, aber nur in einem sehr weiten Sinn, denn Passagen in der heutigen Schriftsprache der Türkei wechseln ab mit Passagen in hochklassischem Osmanisch, Azeri, Usbekisch und Tschagataiisch, dazu kommen noch Englisch, Italienisch und klassisches Persisch.
Den Übersetzer, Arnaud Boz, Turkologe aus Montreal, hat diese Sprachvielfalt vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe gestellt, denn, will er dem Leser den Inhalt des Textes zugänglich machen, muss er in eine einzige Sprache übersetzen, doch dabei verliert er ein wesentliches sinnstiftendes Element des Werkes, nämlich die konnotative Funktion einer jeden Sprache. Dass er dieses Opfer gebracht hat, danken wir Leser ihm, und ich würde mich kaum wundern, gäbe es demnächst auch noch eine Rückübersetzung des Texts aus dem Französischen ins "normale" Türkisch.
Der Inhalt des Romans lässt sich kaum in ein paar Zeilen zusammenfassen. Wie gesagt steht im Mittelpunkt des Ganzen der Erzähler, der im ersten von 23 Kapiteln als Ich-Erzähler eingeführt wird und von dem wir nicht viel mehr erfahren, als dass er "Karamanli" heisst - der Bezug zum Namen des Autors ist offensichtlich, wird aber gleich auch wieder dadurch unterlaufen, dass dieser Karamanli 101 Jahre alt und mit der Familie des Paschas von Syrien verschwägert ist, während der Autor selbst jung und von bescheidener Herkunft ist. Im zweiten Kapitel ist der Erzähler der osmanische Autor Velieddin Ibn-i Mesmum aus Erzincan, der im 17. Jh. in Kütahya, einem Zentrum der Keramikproduktion des Landes, gestorben sein soll. So jedenfalls besagt die biografische Notiz zu Anfang des Kapitels, doch in den Literaturgeschichten ist kein Autor dieses Namens verzeichnet. Der Vatername des apokryphen Autors, Ibn-i Mesmum, ist sprechend und heisst auf Deutsch: Sohn des Vergifteten. Gleichzeitig ist der Name der Schlüssel zur Persönlichkeit seines Trägers: Veliuddin ist nämlich besessen von der Vorstellung, sein Vater sei nicht durch ein materielles Gift, sondern durch das Gift der unreinen Lehre der Sufis zu Tode gekommen. Um die Menschheit vor letzterem zu warnen, verfasst er den Traktat: "Zahr-i qulûb" (Das Gift für die Herzen) in klassischem Persisch, in den er verschiedene Geschichten einbetten, die weiter und weiter vom eigentlichen Thema seines Texts abschweifen und irgendwann nahtlos im Roman aufgehen.
Ferit Karaormanli: La chambre des rêves. Roman, traduit du turc par Arnaud Boz éditions voces, Paris, 2002