Obsession - Ein erotischer Roman von Glen Duncan
Gibt es die ideale Verbindung von Sex und Liebe? Ja! Der Ich-Erzähler dieses Romans findet sie als Student an einer englischen Universität. Sie wird ihm zuteil, als er auf einer Italienreise die Mitstudentin Alicia trifft "allein auf den Stufen der Peterskirche in Rom, im Herzen des Katholizismus auf Erden".
Ein solcher Fundort müsste uns allerdings zu denken geben: Der Katholizismus ist ja nicht gerade für sein positives Verhältnis zur Fleischeslust bekannt. Und die macht dem Erzähler mit der Zeit immer mehr zu schaffen. Inmitten seiner Idylle mit Alicia gibt er sich heimlich und unter erdrückenden Schuldgefühlen verbotener Selbstbefleckung hin. Schuld daran - wie könnte es auch anders sein - ist die Sünderin, die ihn in Gestalt von Porno-Mädchen aus Hochglanzmagazinen anlächelt. "Ihre Augen sehen ihn an. Diese Augen haben ihn. Diese Augen haben den Blick." Der pornografische Blick, der dem Betrachter sagt: Schau ich bin hier, um DICH aufzugeilen, dieser Blick zieht den Erzähler in seinen Bann und die Liebe zwischen ihm und Alicia in den Abgrund. Fern von Alicia lernt er dann, nach dem Sturz, die verbotensten Lüste kennen, geführt von einer Prostituierten namens Hope, die genau diesen Blick hat. Hope trägt ein Geheimnis in sich, das sich dem Erzähler aber erst enthüllt, als Hope ihm mitteilt, dass sie ihren Beruf aufgeben werde. Am letzten Abend mit Hope wird der letzte Stein eingesetzt und das Mosaik vervollständigt.
Man ist bei der Lektüre dieses Romans hin und her gerissen zwischen Bewunderung für die Kunst des Autors, ein komplexes Erzählgefüge mit vielsagenden und stimmigen Querbeziehungen zu schaffen und einer kopschüttelnden Distanznahme gegenüber seinem fast hysterischen Philosophieren über das Wesen des Sex, der Frau und der Dinge überhaupt. Trotzdem, egal welches Gefühl am Schluss überwiegt, wird man dem Autor nicht absprechen können, ein Stück Literatur und nicht eine blosse Belanglosigkeit geschaffen zu haben.
Glen Duncan: Obsession - Ein erotischer Roman.
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 2001
(Knaur Taschenbuch 61837)